Was sich Trennungskinder wünschen (Teil 2)
Hier kommen die Bitten 8 bis 14. Die komplette Liste von Katrin Jaeckel findet ihr hier.
8. Gebt mich nicht wie ein Paket vor der Haustür meines anderen Elternteils ab. Bittet den Anderen für einen kurzen Moment rein und redet darüber, wie ihr mein schwieriges Leben einfacher machen könnt. Wenn ich abgeholt oder gebracht werde, gibt es kurze Momente, in denen ich euch beide habe. Zerstört das nicht dadurch, dass ihr euch anödet oder zankt.
Das ist aus meiner Sicht eine der wichtigsten dieser 20 Bitten. „Übergabe“ – bei diesem Wortallein dreht sich bei mir schon der Magen um. Als ob man das eigene Kind abgibt wie ein Paket oder einen anderen sachlichen Gegenstand. Mir ist es sehr wichtig, diese Übergabe-Situationen möglichst gut und harmonisch zu gestalten, darüber habe ich hier ja schon einmal geschrieben. Es ist die einzige Zeit von meist nur wenigen Minuten, in der unser Kind beide Elternteile gleichzeitig hat. Dass müssen wir Trennungseltern uns immer wieder bewusst machen. Auch, wenn wir den Expartner momentan lieber nicht sehen würden. Unsere Kinder verdienen eine anständige Übergabe, ohne Streit, ohne bissige Kommentare, ohne vergiftete Atmosphäre. Mir ist dieses Thema deswegen so wichtig, weil ich es aus meiner eigenen Kindheit anders kenne. Als mein Vater mich jeden zweiten Sonntag wie verabredet um Punkt 17 Uhr zurück brachte, steckte oft schon der Schlüssel in der Haustüre. Weil meine Mutter ihm nicht begegnen wollte, sollte ich selbständig aufschließen und ins Haus kommen. Es war von ihr mir gegenüber sicher nicht böse gemeint, aber für mich war es trotzdem jedes Mal eine Bauchschmerz-Situation. Ich finde: Eltern müssen sich bei der Übergabe zusammenreißen und ihre eigenen Bedürfnisse und Gefühle für zwei Minuten hinten anstellen. Ihrem gemeinsamen Kind zu Liebe. Punkt.
9. Lasst mich vom Kindergarten oder bei Freunden abholen, wenn ihr den Anblick meines anderen Elternteils nicht ertragen könnt. Aber denkt daran: Ich liebe diesen Anblick. Also verhindert nicht, dass ich meinen anderen Elternteil sehe.
Ja, das macht Sinn. Kinder lieben den Anblick des anderen Elternteils. Auch dann, wenn wir den Expartner selbst gerade am liebsten zum Mond schießen würden.
10. Streitet euch nicht vor mir. Seid wenigstens so höflich miteinander, wie ihr es zu anderen Menschen seid und wie ihr es auch von mir verlangt.
Jawoll. In einem Trennungsratgeber habe ich gelesen: „Gehe vor deinem Kind so höflich mit deinem Expartner um, wie du es auch mit einem Kollegen auf deiner Arbeitsstelle tun würdest.“ Und das nicht ihm oder dir zu Liebe, sondern vor allem deines Kindes wegen. Denn schlimmer für ein Kind als getrennte Eltern sind getrennte Eltern, die sich immer noch streiten. Also: Wenn das Kind dabei ist, ist neutrale Höflichkeit bis Freundlichkeit dem Ex gegenüber angesagt. Keine Sticheleien oder gar Schimpftiraden.
11. Erzählt mir nichts von Dingen, die ich noch nicht verstehen kann. Sprecht darüber mit anderen Erwachsenen, aber nicht mit mir.
Korrekt. Kinder sollten nicht als „beste Freunde ihrer Eltern“ missbraucht werden. Kinder sind Kinder. Die detaillierten Trennungs-Probleme ihrer Eltern gehen sie nichts an. Sie belasten sie nur.
12. Lasst mich meine Freunde zu beiden von euch mitbringen. Ich wünsche mir ja, dass sie meine Mutter und meinen Vater kennen und toll finden.
Auf jeden Fall. Als ich mit meinem Sohn in unsere neue Wohnung gezogen bin, war es mir sehr wichtig, dass seine Freunde aus dem Kindergarten uns sehr schnell dort besuchen. Er sollte sehen: Meine Freunde sind noch da. Sie kommen mich auch in meinem neuen Zuhause besuchen. Es hat sich nicht alles in meinem Leben geändert, auch wenn jetzt vieles anders ist.
13. Einigt euch fair übers Geld und vergesst nicht, dass ich bei meiner Mutter und bei meinem Vater Hunger habe und ein Bett und etwas anzuziehen brauche. Ich möchte nicht, dass ihr euch wegen mir um Geld streitet. Ihr habt mich zusammen gemacht, jetzt müsst ihr auch zusammen für mich sorgen.
Absolut richtig. Dem ist nichts hinzuzufügen.
14. Versucht nicht, mich um die Wette zu verwöhnen. Soviel Schokolade kann ich nämlich gar nicht essen, wie ich euch beide lieb habe.
Ein wichtiger Punkt. Immer wenn ich diesen letzten Satz lese, muss ich schlucken. „So viel Schokolade kann ich gar nicht essen, wie ich euch beide lieb habe.“ Genau so ist es.
Besonders wichtig finde ich in dieser Bitte die Worte „um die Wette.“ Viel zu viele getrennte Eltern denken, sie befänden sich in einem internen Wettbewerb um die Gunst des Kindes, auch wenn sie das nicht offen aussprechen oder vielleicht nur unbewusst fühlen. Wer schenkt dem Kind was zum Geburtstag? Wer macht mit ihm die größere Urlaubsreise? Wer kauft ihm die meisten Klamotten? Wir sollten uns immer wieder klar machen: Unsere Kinder lieben uns beide. Getrennte Elternschaft ist kein Wettbewerb, denn unter diesem unnötigen Eifern leiden die Kinder nur. Weil sie instinktiv spüren, dass es ihren Eltern in diesem Moment vor allem um sich selbst geht. In Wahrheit ist keiner besser oder schlechter, beide bleiben die Eltern. Für immer.
Foto: Johnny B/pixelio.de
Einen Kommentar schreiben
Kommentar von Sarah |
Liebe Christina,
danke für diese klugen Gedanken!
Besonders haben mich deine Aussagen zur „Übergabesituation“ berührt und dass du, selbst mit getrennt lebenden Eltern, nicht nur die Perspektive als Mutter, sondern auch die als Kind kennst!
Ich lebe selbst vom Vater meines Sohnes getrennt und kann nur unterstreichen, dass unser Sohn SEHR viel ausgeglichener und fröhlicher ist, seitdem es uns als Eltern gelingt, ihn bei dem Wechsel, den er zwischen seinen zwei „Zuhausen“ bewältigen muss, friedlich und weitgehend ohne Streitereien zu begleiten!
Vielleicht könnte dich zu diesem Thema auch dieser Artikel in meinem Blog interessieren: https://mutter-und-sohn.blog/2018/05/02/ueber-sieben-bruecken-entspannte-kindsuebergabe-nach-der-trennung/ ?
Herzlichen Gruß
Sarah
Kommentar von Christina |
Liebe Sarah,
danke für deinen Kommentar, übrigens der erste hier auf meinem Blog :)
Schön, dass ihr die Übergaben mit eurem Sohn so gut regeln könnt.
Sie ist die einzige kurze Zeit, in der unsere Kinder ihre beiden Elternteile gleichzeitig haben. Und das sollten wir ihnen nicht mit Streit oder schlechter Stimmung vergrätzen.
Der Text auf deinem Blog fasst alles perfekt zusammen. Super finde ich, dass du betonst, wie wichtig das Ankommen für das Kind in der "anderen Welt" ist. Erstmal in Ruhe einen Kakao trinken oder wie bei uns eine Runde Lego im Kinderzimmer spielen, das hilft den Kindern bei den Übergängen.
Liebe Grüße,
Christina
Datenschutz
Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass meine Angaben und Daten zur Beantwortung meiner Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden.
Passende Beiträge
Zurzeit sind keine Nachrichten vorhanden.