Ist das Familie?
Ich habe Glück. Ich war vor kurzem in Urlaub, in der Sonne, auf Gran Canaria. Mit meinem Sohn. Wir waren in einem netten Hotel. Jeden Abend gab es dort ein Buffet, mal mit Gerichten aus Spanien, mal aus Mexiko, mal aus anderen Ländern.
Am etwa vierten Abend stand eine Fotografin vor dem Eingang des großen Speisesaals. Sie fing möglichst viele Gäste ab, um sie zu einem Urlaubsfoto zu überreden. Renterpaare, Großfamilien, eben alle, die dort auf dem Weg zum Abendessen waren.
Die freundliche Frau mit den braunen Augen hatte auch mich und meinen Sohn erwischt. Na klar, so ein schnelles Foto können wir ja machen. Ob wir es tatsächlich kaufen, entscheiden wir später. Bevor sie ihre Kamera in die Höhe reckte und uns beide vor der großen Palme drapierte, blickte sie mich und das Kind noch kurz an und fragte mich dann: „Is this family?“
Es ratterte kurz in meinem Hirn. Frei übersetzt bedeutete das also: Sind das alle oder kommt gleich noch einer? Ich zuckte ganz kurz innerlich und überlegte einen Moment. Dann sagte ich ihr klar und mit besonderem Nachdruck: „Yes. This is family.“
Eine kleine, banale Situation in einem Hotel. Nichts Großes, nichts Wichtiges. Und trotzdem: Vor ein paar Monaten wäre mir dieser Satz noch nicht so einfach über die Lippen gegangen. Weil genau das mich so traurig gemacht hat: Nicht mehr in dieser klassischen Familienform zu leben: Mutter, Vater, Kind. Weil jetzt meist nur noch mein Sohn und ich da waren. Weil so vieles neu war und mein altes Leben durch die Trennung komplett auf links gedreht wurde. Weil jetzt alles anders ist und nur wenig so wie vorher.
Heute, ein knappes Jahr nach meiner Trennung weiß ich: Yes. This is family. Es ist anders jetzt, es ist nicht immer einfach, aber es ist immer noch Familie. Unser Alltag ist nicht mehr der gleiche, aber mein Kind und ich haben inzwischen neue Formen und neue Rituale gefunden. Das alles ist an manchen Tagen hart, aber wir schauen positiv nach vorne. „Familie ist immer da wo Kinder sind und wo Liebe ist.“ Dieser schöne Spruch hilft mir heute an manchen Tagen immer noch. Denn er ist einfach wahr. Es gibt inzwischen viele Formen von Familie. Auch wenn man sich das eigene Leben vielleicht mal ganz anders vorgestellt hat.
„Yes. This is family“, habe ich der spanischen Fotografin also gesagt. Mich dann mit meinem Sohn vor die Palme gestellt, meinen Arm um ihn gelegt und für das Urlaubsfoto gelächelt. Und innerlich auch. Zumindest ein bisschen.
Fotohinweis: Jutta Rotter/pixelio.de
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