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Burnout als Mutter: Wenn nichts mehr geht

Burnout als Mutter: Wenn nichts mehr geht

14.01.2019. 21:39
(Kommentare: 5)

In den vergangenen Monaten habe ich viele starke Frauen getroffen. Dazu gehört auch Tanja Bräutigam aus Hürth. Sie hat vor einiger Zeit ihr erstes Buch veröffentlicht: „5 Wochen Rabenmutter – Wie ich nach dem Burnout wieder Kraft für mich und meine Familie fand“. Darin beschreibt die zweifache (und inzwischen alleinerziehende) Mutter, wie sie sich nach einem emotionalen und physischen Zusammenbruch eine Auszeit in einer Klinik genommen hat. Allein, ohne ihre Kinder. Wie sich diese Kur auf ihren Alltag ausgewirkt hat, hat mir Tanja in einem persönlichen Gespräch erzählt.

Depressionen? Burnout? Zusammenbruch? Wer Tanja Bräutigam kennenlernt, denkt nicht an diese  Begriffe. Die 44-Jährige wirkt freundlich, offen und positiv. Die attraktive Mutter zweier Kinder (10 und 7 Jahre alt) war viele Jahre erfolgreich im Sportbusiness tätig. Nach der Geburt ihrer Kinder schied sie für einige Zeit aus dem Arbeitsleben aus und kämpfte gegen ein Burnout an. Über diese Zeit hat sie ein sehr offenes  Buch geschrieben: „5 Wochen Rabenmutter“. Das Buch ist bei Eden-Books erschienen und handelt von ihrer  Zeit  in einer psychosomatischen Reha-Klinik im Schwarzwald. Heute geht es Tanja besser. Sie gibt ihr Wissen weiter und  arbeitet erfolgreich als Sporttherapeutin in einer Suchtklinik. Vor einiger Zeit hat sie sich von ihrem Mann und Vater ihrer Kinder getrennt.

Panikattacken und Hilflosigkeit

Über die Veränderungen in ihrem Leben habe ich mit Tanja gesprochen. Auch beim Lesen ihres sehr persönlichen Buches wird klar: Tanja hat in den vergangenen Jahren viel erlebt und durchgemacht. Depressionen, Panikattacken und das Gefühl großer Hilflosigkeit. Die Ärzte rieten sofort zu Antidepressiva, doch die wollte Tanja nicht nehmen. Ihren Weg hat sie ohne Tabletten geschafft. Durch die Zeit in der Klinik hat sie gelernt, mehr auf ihre Bedürfnisse zu achten und Grenzen zu setzen. Sich selbst wieder wichtig zu nehmen.

Raus aus der Opferrolle

Das ist im Alltag nicht immer einfach, denn Tanja betreut ihren Sohn und ihre Tochter zu großen Teilen alleine, weil ihr Ex-Partner unter anderem beruflich sehr eingespannt ist. Das ist oft eine große Herausforderung.  Aber sie bemüht sich heute, daran vor allem das Positive zu sehen: „Ich kann fast den  gesamten Alltag meiner beiden Kinder miterleben. Was für ein Segen. Letztendlich ist eben doch  alles eine Bewertungsfrage.“

Früher hat sich Tanja oft allein gelassen gefühlt, weil sie auch während ihrer Ehe viele Monate im Jahr alleine für ihre Kinder zuständig war. In der Kur hat sie gelernt, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, nach praktikablen Lösungen zu suchen und nicht in der Opferrolle zu verharren.

 „Uns wird es nicht treffen.“  Leider doch.

Vor der Geburt ihrer Tochter waren sie und ihr Mann sich sicher: „Uns wird es nicht treffen. Bei uns bleibt alles beim Alten. Auch mit Kind.“ Und doch: mit zwei Kindern hat sich der Alltag des Paares komplett verändert. Vor allem, weil Tanja jahrelang nicht mehr durchschlafen konnte, da ihre Tochter jede Nacht nur wenige Stunden am Stück geschlafen hat.

Über ihre ersten Jahre als Mutter schreibt die Autorin: „Ich agiere rund um die Uhr als Mama und habe meine eigenen Bedürfnisse komplett aus den Augen verloren. Ich spüre mich nicht mehr. Bin gegenüber meinen Kindern und meinem Ehemann nur noch gereizt und kann mich selbst nicht mehr leiden.“

Diagnose: Erschöpfungssyndrom

Vor und während ihrer Zeit in der Klinik hatte sie mit Angststörungen zu kämpfen. Die Diagnose: Erschöpfungssyndrom. In ihrem Buch geht Tanja auf Kernthema ein, das für uns Mütter so wichtig ist und uns doch oft so schwer fällt: Selbstliebe. Nicht nur die Bedürfnisse der anderen, sondern auch die eigenen  wichtig zu nehmen und zu äußern. Nur dann kann es uns dauerhaft gut gehen.

Tanja ist Sportlerin, früher hat sie Handball in der zweiten Bundesliga gespielt. Als ihre Kinder kamen, hatte sie plötzlich kaum noch Zeit für Sport. Heute nimmt sie sich die Zeit. Unter anderem spielt sie Tennis in einem Verein, dort hat sie eine nette Mannschaft gefunden. „Ich versuche viele Dinge in meinen Alltag einzubauen, die mich stabil halten. Weil ich weiß, dass das Ganze sonst auch schnell wieder kippen kann.“

Auszeit in der Klinik als Rettung

In ihrem Buch gibt Tanja offen zu, wie schwer ihr es jahrelang gefallen ist, Hilfe anzunehmen oder überhaupt erst einzufordern. Viel zu lange wollte sie das Bild der perfekten Mutter und Ehefrau aufrecht erhalten, die alles alleine ohne Probleme  wuppt und schafft.  Auf diesen jahrelang überhöhten Anspruch folgte dann irgendwann der totale Zusammenbruch.  „Sie sind nicht verrückt. Betrachten Sie ihre Depressionen und Angstzustände als Freunde, die Ihnen mitteilen wollen, dass Ihr Leben gerade in die falsche Richtung läuft“, sagte eine Heilprakterin zu Tanja. Depressionen als Freunde? Ein Denkansatz, den sie erst einmal sacken lassen musste.

Die Zeit in der Klinik war für Tanja überlebenswichtig, wie sie rückblickend sagt. Auch wenn damals viele in ihrem Umfeld nicht verstanden haben, warum sie sich nicht einfach für eine „Mutter-Kind-Kur“ entschieden hat. Auch wenn die fünf Wochen ohne ihre Tochter und ihren Sohn als Mutter für sie sehr hart waren, sagt sie heute: „Ich brauchte diese Zeit ohne meine Kinder, um wieder in meine Kraft zu kommen.“

Wichtigster Satz: Ich bin mir wichtig

Mit über 40 hat sie gelernt, dass es auch und vor allem als Mutter wichtig ist, gut auf sich aufzupassen. „Sonst geht man drauf.“ Die vier Worte „Ich bin mir wichtig“ gehören heute zu Tanjas festen Überzeugungen.  „Ein Satz, den ich lernen musste wie ein Analphabet das Schreiben.“

Gerade nach einer Trennung und Scheidung ändert sich das Leben meist komplett  – neue Wohnung, andere Freunde, neuer Alltag – auch für die Kinder. Dann  passiert es oft, dass man sich selbst aus dem Blick verliert. „Doch wenn man selber instabil ist, schafft man es nicht, die Dinge zu lösen.“

Auf die Perspektive kommt es an

Geholfen hat ihr nach der Trennung vor allem auch  die richtige Perspektive: Das was jetzt ist, ist nicht für immer. Es ist eine Übergangsphase. Und die kann nach dem einschneidenden Erlebnis Trennung auch mal mehrere Jahre dauern.

Von ihrer Zeit in der psychosomatischen Klinik im Schwarzwald profitiert die Sporttherapeutin noch heute. „Dort habe ich gelernt, auf mich aufzupassen.“ Und die Dinge im Hier und Jetzt zu betrachten – und nicht ständig in der Vergangenheit  zu verharren oder mit Angst in die Zukunft zu blicken.

Tanja hat sich in den vergangenen Jahren darauf trainiert, lösungs- anstatt opfer-orientiert zu denken. Also nicht zu glauben: „Mit zwei kleinen Kindern kann ich keinen Sport mehr machen“, sondern ganz pragmatisch zu handeln und die Yogamatte im Wohnzimmer auszurollen, zweimal pro Woche, sobald die Kinder im Bett sind.

Was akzeptiere ich – und was nicht?  

Sie hat sich ein Netzwerk an Single-Freundinnen aufgebaut, was ihr im Alltag sehr hilft. Aus ihrer Erfahrung kehrt zwischen den Ex-Partnern meist erst dann Ruhe ein, wenn alles Organisatorische rund um die Kinder und die Finanzen geregelt ist. Vorher ist das Verhältnis oft noch zu sehr belastet, so ihr Eindruck. „Es gibt wahrscheinlich kein getrenntes Paar, das keine offenen Baustellen hat. Die Frage ist immer nur: Was akzeptiere ich – und wo will ich kämpfen?“

Dankbarkeit macht glücklich

Heute ist Tanja Bräutigam  dankbar für die guten Dinge in ihrem Leben. Mit ihren Kindern lebt sie in einem schönen Haus in einer sehr netten Nachbarschaft. „Unsere Nachbarn sind wirklich toll, sie haben meinem Sohn zum Beispiel das Sägen beigebracht.“ Dankbar zu sein, auch für die kleinen Dinge, macht glücklich.

Tanjas Buch „5 Wochen Rabenmutter“ ist äußerst lesenswert. Nicht nur für Mütter, denn es enthält Erfahrungen und Erkenntnisse, die für alle für uns gelten.

Am Ende ihres Buches dankt Tanja ihrem Ehemann für den gemeinsamen Weg. Und schreibt: „Jemanden zu lieben, bedeutet auch, ihn gehen zu lassen, wenn man sich nicht mehr guttut.“

Danke dir Tanja für deine Offenheit und alles Gute für dich und deinen weiteren Weg.

Christina

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Kommentar von Philipp |

Zu diesem Buch gibt es einen guten Beitrag und auch Kommentare. Als alleinerziehender Single-Vater mit Vollzeitjob fragt man sich schon, ob die Mütter hierzulande überhaupt noch belastbar sind oder Burn-Out eine Modeerscheinung wie Latte und Prosecco ist.
Hier der Link:
https://scheidendegeister.wordpress.com/2017/08/21/bewegendes-schicksal-der-woche-eine-jammerfrau-berichtet-was-sie-ueberfordert-hat/#comments
Best wishes, Phips

Antwort von Christina Rinkl

Hallo Philipp,

ich kenne Tanja persönlich und sie ist alles andere als eine "Jammerfrau".

Im Gegenteil, ich finde, sie verdient Respekt, dass sie ihre persönliche Geschichte so offen geteilt hat.

In meinen Augen ist Burn-Out auch keine Modeerscheinung wie Latte oder Prosecco.

Ich lade dich gerne ein, hier auf dem Blog einen Gastbeitrag über dein Leben als vollzeitarbeitender Single-Vater zu schreiben.

Gruß, Christina

Kommentar von Philipp |

Es ist ein Privileg, dass wir in einem Land leben dürfen, in dem jede und jeder das Recht hat, seine Meinung kund zu tun.
Ob es Respekt verdient, wenn jemand das tut in welcher Form auch immer, darüber lässt sich streiten. Das ist meine Meinung.
Problematisch wird es immer nur dann, wenn nur eine Sichtweise dargestellt wird. Hat man mal den Exmann oder viele andere Ehemänner und Väter gefragt, wie diese mit der Unzufriedenheit der ach so armen Mütter zu kämpfen haben? Nach dem was ich erlebt habe, führen diese Frauen ein Leben in finanzieller Sorglosigkeit und damit sind sie unzufrieden? Dann wird einfach ein Erschöpfungssyndrom diagnostiziert und ein Freibrief zum Egoismus erteilt.
Frau muss sich selbst verwirklichen und lässt Mann und Kind im Stich. Womöglich wird dem Vater auch noch das Kind vorenthalten und in der Überzeugung natürliches Mutterrecht auszuüben, Unterhalt gefordert.
Ich habe meine beiden Kinder soeben zu Bett gebracht und nicht die Zeit und Muße, meine Lebensgeschichte öffentlich darzustellen und mich zu bedauern. Ich werde jetzt noch ein Glas Wein trinken, und dann wahrscheinlich auf der Couch einschlafen. Morgen um 06:00 Uhr klingelt der Wecker. Dann mache ich Frühstück, Pausenbrote, bringe die Kinder zum Schulbus und fahre zur Arbeit. Um 15:30 hole ich meine Kinder wieder vom Schulbus ab, nachdem ich vorher die Einkäufe erledigt habe. Zu Hause werden Hausaufgaben kontrolliert, Wäsche gemacht und bis zum Abendbrot zumindest ein paar Minuten PlayStation gezockt oder Fernsehen. Danach die Kinder ins Bett bringen. Und dann sind wir wieder bei jetzt. Zum Jammern habe ich keine Zeit. Ich bitte um Entschuldigung.

Kommentar von Sibylle |

Wie kommen Sie dazu aus Ihrer speziellen Situation so herzlos und wertend über alle Mütter zu urteilen! Ich verbitte mir das! Einen Burnout als Modeerscheinung zu definieren ist grandioser Unfug, seien Sie doch einfach stolz, sich so gut um ihre Kinder zu kümmern, aber das können Sie ja wohl locker OHNE andere zu diskreditieren. Oder?

Antwort von Christina Rinkl

Liebe Sibylle,

danke für deinen Kommentar.

Ein Burnout ist definitiv keine Modeerscheinung, sondern genau so wie Erschöpfungszustände und Depressionen eine ernst zu nehmende Erkrankung.

Im Kern geht es darum, gut für uns zu sorgen: auch und gerade nach einer Trennung. Genau das beschreibt auch Tanja in ihrem Buch.

Christina

Kommentar von Aleen |

Zu Philipps Beitrag, möchte ich nicht bewerten.
Jeder leistet was er kann . Mathematisch gesehen
Wenn man wegnimmt und nicht dazu gibt,. Kommt man ins minus, sprich Erschöpfung
Ich könnte jetzt hier auch einen Vergleich machen, so wie es Philipp tut,. Oder urteilen?
Mein Alltag, 5:20 aufstehen, vorbereiten,. Dann zur Arbeit fahren. 6:30 Schichtbeginn.
Bis 14 Uhr arbeiten, dann heim Haushalt , um 15:30 Kinder holen. Aufgaben kontrollieren, lernen und bisschen gemeinsam spielen , Abend essen vorbereiten, Kinder Bett fertig machen , Geschichte vorlesen, bis ich me time habe ist es ,.. eh?… 21 Uhr, wenn ich den Haushalt in einer Stunde am Tag schaffen würde,… naja irgendwann sind reservierten verbraucht wenn man nicht auftanken kann.

Kommentar von Sophia |

Hallo!
Ich bin auch fertig mit allem und mir selbst. Habe 4 Kinder, 3 davon auffällig, weil ich es nicht mehr schaffe. Ich bin so unsagbar fix und fertig.

Bitte rechnen Sie 4 plus 6.

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