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Gibt es überhaupt glückliche Scheidungskinder?

Gibt es überhaupt glückliche Scheidungskinder?

21.10.2019. 18:47
(Kommentare: 3)

Vor ein paar Tagen bin ich im Internet über einen Satz gestolpert, der mir länger nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist: „Es gibt keine glücklichen Scheidungskinder.“ Diese Behauptung hat mich erst nachdenklich gemacht. Und dann ziemlich wütend. Aber warum eigentlich?  

„Es gibt keine glücklichen Scheidungskinder.“ Bäääm. Gelesen habe ich diesen Satz auf Amazon, geschrieben von einem anonymen Rezensenten des Buches „Trennungskinder“. In diesem Blog-Text hier habe ich ausführlich über das aktuelle Sachbuch von Claus Koch berichtet.  

Verhindern geschiedene Eltern das eigene Lebensglück? 

Stimmt das wirklich? Gibt es keine glücklichen Scheidungskinder? Ist man per se unglücklich, wenn sich die Eltern getrennt haben? Ist die Kindheit dann vorbei und das eigene Leben gelaufen  – übertrieben gesagt? Diese Gedanken drehten danach lustige Pirouetten in meinem Kopf. Und ich finde: So etwas zu behaupten ist grober Unfug. 

Wenn ich meinen siebenjährigen Sohn anschaue, knapp zweieinhalb Jahre nach der Trennung, dann sehe ich ihn in sehr vielen Momenten, in denen er ausgelassen und glücklich ist. In denen er aus vollem Herzen lacht, in denen er mit seinen Freunden auf dem Schulhof Fußball spielt, in denen wir gemeinsam wie jetzt in den Herbstferien durch ein Museum oder den Wald streifen und Blätter für unsere Herbstbilder sammeln. Oder einfach nur  gemeinsam Spaghetti zum Abendessen kochen.

Jeder Trennung hinterlässt Narben - vor allem wenn Kinder beteiligt sind

Das heißt nicht, dass alles immer Friede, Freude, Eierkuchen ist. Jedes Elternteil, das eine Trennung hinter sich hat, weiß, dass das nicht so ist. Dass jede Trennung  viele große und kleine Herausforderungen im Alltag mit sich bringt. Auch und gerade für unsere Kinder. Und genau das macht uns oft das Mutter- oder Vaterherz so schwer. Weil wir das nicht gewollt haben. Nicht für uns und vor allem nicht für unsere Kinder. Weil wir unsere Ehe oder Beziehung anders geplant hatten.

Sich das als Elternteil einzugestehen ist schmerzhaft. Aber deswegen zu behaupten, jedes Scheidungskind sei unglücklich, wäre komplett vermessen. Eine Trennung tut weh und hinterlässt Narben. Aber wenn Eltern bestmöglich damit umgehen und die Bedürfnisse ihrer Kinder fest im Blick haben und zwischen der vergangenen Paar- und der bleibenden Elternebene nach der Trennung gut unterscheiden können, kann das Leben auch ziemlich bald wieder ziemlich gut werden. In manchen Fällen sogar noch besser als zuvor. In diesem Text hier habe ich ausführlich darüber geschrieben.

Eine Scheidung prägt - oft für das ganze Leben

Als ich den Scheidungskinder-Satz in meinem Kopf hin und hergeschoben habe, musste ich dabei auch an meine eigene Vergangenheit denken. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich vier Jahre alt war. War ich deswegen unglücklich? Natürlich gab es schmerzhafte Momente und das Aufwachsen in einer Trennungsfamilie hat mich geprägt bis in mein Erwachsenenleben hinein.

Schwierig fand ich vor allem die Situationen, in denen meine Eltern Konflikte vor meinen Augen und Ohren ausgetragen haben und ich dabei das Gefühl hatte, mittendrin und zwischen beiden Fronten zu stehen. Das war richtig ungut.

Manche Gefühle kennen alle Trennungskinder 

Mitzubekommen wie ein Elternteil schlecht über den anderen redet, fühlt sich als Kind ebenfalls mies an. Und dann gab es natürlich das Vermissen des einen Elternteils während ich beim anderen war. Gefühle wie diese kennen alle Trennungskinder und sie sind nicht schön. Oft prägen sie uns für unser ganzes Leben. 

Aber dass ich deswegen in meiner Kindheit dauerunglücklich war, stimmt nicht. Ich erinnere mich an sehr viele schöne Momente, sowohl mit meiner Mutter als auch mit meinem Vater. An gemeinsame Urlaube, Kinobesuche und viele andere schöne Erlebnisse.

Ja, an Weihnachten gab es für mich doppelte Geschenke, aber das ist nicht das, was dein Kinderherz langfristig hüpfen lässt. Das ist vielleicht nett und angenehm im Moment, aber wirklich erfüllen tun materielle Dinge nicht, das spüren selbst Kinder schon, auch wenn sie es vielleicht noch nicht ausdrücken können. Was für mich wertvoller war: Die tragfähigen Beziehungen zu den neuen Partnern meiner Eltern.

Nicht alles an einer Scheidung muss schlecht sein. Ganz im Gegenteil 

Meine Eltern sind beide inzwischen schon viele Jahre in einer neuen Partnerschaft und diese Bonus-Eltern waren in meiner Kindheit wichtig und inspirierend für mich. Natürlich ist das eine andere Form von Zuneigung als zu den leiblichen Eltern, der neue Partner kann nie an die Stelle des anderen Elternteils rücken. Aber rückblickend kann ich sagen, dass ich durch die neuen Partner profitiert habe. Sie haben mir neue Blickwinkel aufs Leben eröffnet, mir neue Perspektiven gezeigt, mir Türen zur Welt geöffnet, die mir sonst vielleicht verschlossen geblieben werden.

Stief-Eltern ist kein schöner Begriff, aber aus meiner Erfahrung können sie etwas sehr Wertvolles sein. Auch wenn sich die Beziehung mit den Jahren wieder wandeln kann.  Kinder spüren schnell, wer es ehrlich gut mit ihnen meint und welche Form von Zuneigung nur gespielt ist.

Auch eine "heile Familie" ist kein Garant für eine unbeschwerte Kindheit

Als Scheidungskind groß zu werden war nicht leicht, nein – aber in welcher Kindheit ist es das schon? Ich habe Freunde aus nach außen hin „intakten Familien“, die ebenfalls ein großes Päckchen zu tragen haben.  Eine meiner Freundinnen hat mir zum Beispiel oft erzählt: „Meine Eltern haben sich in meiner Kindheit so viel gestritten, ich hätte mir ehrlich gewünscht, dass sie sich getrennt hätten. Bei uns war die Stimmung immer furchtbar zu Hause.“ Auch eine nach außen hin „heile Familie“ ist kein Garant für eine unbeschwerte Kindheit. So funktioniert das Leben nicht. 

Trotzdem interessant, dass mich dieser Satz persönlich so bewegt hat. Wahrscheinlich weil er die sehr verbreitete und oft auch unbewusste Angst von uns Trennungseltern aufgreift: Dass wir unseren Kindern mit der Trennung etwas angetan haben für ihr Lebensglück. Dass viele von uns Schuldgefühle haben wegen der Scheidung. Dass wir uns oft wünschen, es wäre anders gekommen.

Es kommt auf die Umstände an - und irgendwann auf uns selbst

Scheidungskinder müssen früh im Leben mit einer großen Herausforderung  zurecht kommen, das stimmt. Aber dauerhaft unglücklich sind sie deswegen nicht, vor allem nicht wenn ihre Eltern sich beide weiterhin gut um sie kümmern. Und irgendwann dürfen wir uns alle sowieso von unseren Eltern frei machen und selbst die Verantwortung für unser Leben übernehmen – egal ob wir aus einer Trennungsfamilie kommen oder nicht. 

Unsere Eltern legen die Basis - im besten Fall eine tragfähige und liebevolle

Heute mit einem Abstand von 33 Jahren nach meiner als Kind erlebten Trennung weiß ich: Nicht unsere Eltern sind für unser Lebensglück verantwortlich. Auch nicht mein neuer Partner oder meine eigenen Kinder. Wir selbst sind es, die den Steuerknüppel unseres Lebens in der Hand halten. Wir entscheiden durch unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen, wie unser eigenes Leben verläuft – und welche Bewertung wir den Dingen und Situationen geben, die in unserem Leben passieren.

Als Erwachsene habe ich selbst die Verantwortung über mein Leben. Unsere Eltern legen dafür nur die Basis, im besten Fall eine gute mit einer gelungenen Bindung, viel Urvertrauen und einem Aufwachsen in einer sicheren und liebevollen Umgebung. Und das kann auch in einer Trennungsfamilie funktionieren. Manchmal vielleicht sogar besser, als in einer nur nach außen hin heilen Kernfamilie.

Und wie siehst du das? 

Was meinst du dazu? Gibt es glückliche Scheidungskinder in deiner Familie und in deinem Umfeld? Ist dein Kind ein glückliches Trennungskind? Bist du vielleicht sogar selbst eins? Oder denkst du ganz anders darüber? Erzähle es mir gerne unter info@getrenntmitkind.de oder hier unten in den Kommentaren.

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Kommentar von Alleinerziehende |

Danke für diesen tollen Beitrag und diese super Seite! Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass die Kinder nach der Trennung oder Scheidung sehr wohl wie ganz "normale" Kinder aufwachsen können und glücklich sein können. Es hängt ja immer von den Eltern ab, wie sich die Kinder fühlen. Wenn die Eltern nach der Trennung miteinander reden können und eine gemeinsame Linie finden, ist alles super! Das kann ich nur jedem wärmstens ans Herz legen, auch wenn es manchmal schwierig ist, das ist mir schon klar..

LG,
Jenny

Antwort von Christina Rinkl

Danke Jenny für dein nettes Feedback zum Blog und zum Artikel.

Du hast recht, wenn getrennte Eltern es schaffen eine gute gemeinsame Linie in vielen Dingen zu finden, profitieren  vor allem die Kinder aber auch sie selbst davon.

Herzliche Grüße,

Christina

Kommentar von mokey |

Ich würde mich als unglückliches Scheidungskind bezeichnen. Aber nicht, weil sich meine Eltern haben scheiden lassen, sondern weil sie dafür 15 Jahre gebraucht haben.
Die Jahre davor hatte ich Eltern, die sich entweder gestritten haben oder nicht miteinander geredet haben.
Nach der Scheidung war ich eigentlich nur froh.

Und gleichzeitig saß ich wieder zwischen den Stühlen. In der Öffentlichkeit sagen, dass meine Eltern geschieden sind war schon schwer genug. Aber wenn ich dann auch noch gesagt habe, dass ich froh darüber bin, kam nur noch Unverständnis. Ich sollte gefälligst traurig darüber sein!

Antwort von Christina Rinkl

Hallo Mokey,

danke für deinen Kommentar.

Ich kann das gut nachvollziehen, was du schreibst. Eltern, die nur noch schweigen oder streiten, sind nicht die bessere Alternative zu einer Trennung. 15 Jahre bei Eltern aufzuwachsen, die sich nicht respektieren, hört sich für mich schrecklich an.

Ich kenne ebenfalls Leute, die sagen: "Ich wünschte, meine Eltern hätten sich damals getrennt."

Auch wenn jede Trennung hart ist, gerade für die Kinder: Das Aufwachsen in einem lieblosen Elternhaus kann noch viel härter sein.

Alles Gute für dich,

Christina

Kommentar von Laura Valentina |

Danke für diesen tollen Post. Ich habe mich vor 8 Monaten von meinem Mann getrennt und wir haben eine fast vierjährige Tochter. Zuletzt haben wir oft gestritten, auch vor ihr. Ich als Mutter habe nicht, dass Gefühl, dass sie leidet oder unglücklich ist und dennoch habe ich Angst, ihr durch die Trennung zu schaden. Sie hat es verdient in einer liebevollen Familie aufzuwachsen und dass ich ihr dies „genommen“ habe lässt mich mich schuldig fühlen...

Antwort von Christina Rinkl

Liebe Laura,

vielen Dank für deinen Kommentar und dein nettes Feedback. Ich kann deine Gefühle gut nachvollziehen. Wir alle wünschen uns, dass unsere Kinder  nach der Trennung gut und glücklich aufwachsen. Schuldgefühle gehören für viele Eltern nach der Trennung dazu. Gerne erkläre ich dir in einem persönlichen Gespräch, wie du diese Gefühle gut loslassen und in etwas Gutes verwandeln kannst. Melde dich dazu gerne bei mir unter www.trennungalschance.de/termin 

Herzliche Grüße, 
Christina

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von Christina Rinkl (Kommentare: 1)

Seit ein paar Wochen steht dieser neue Ratgeber im Trennungs- und Scheidungsregal in den Buchhandlungen: „Trennungskinder – Wie Eltern und ihre Kinder nach Trennung und Scheidung wieder glücklich werden.“ Das selbsternannte „große Selbsthilfebuch“ verspricht in seinem Titel viel. Ob es das auch halten kann, erfährst du hier:

von Christina Rinkl (Kommentare: 1)

Wohin mit dem Ehering nach einer Scheidung? Bei den meisten liegt er wohl in irgendeiner Kiste irgendwo hinten im Schrank. Andere haben ihn vielleicht schon längst von einer Brücke in den Fluss geworfen. Wieder andere wollen das Schmuckstück für ihre Kinder aufbewahren. Wer mit seinem Scheidungsring etwas Sinnvolles tun will, kann ihn einschicken und spenden. Der Erlös kommt Trennungskindern zu Gute. Alle Infos zu dem Projekt "Scheidungsringe für Kinder" findest du hier:

 

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