Schlechter oder gar kein Sex - ein Trennungsgrund?
In meiner Arbeit als Coach spreche ich sehr häufig mit Menschen, die aus unglücklichen Beziehungen kommen - und die oft sehr lange keinen Sex mehr hatten. "Sex und Geld gehören zu den Hauptgründen, warum Paare sich trennen", sagt Buch-Autorin und Sexual-Wissenschaftlerin Susanne Wendel. Im Interview hier auf dem Blog spricht sie darüber, warum das so ist - und was glückliche Paare richtig machen, nicht nur aber vor allem auch im Bett.
Susanne, wenn Sex in einer Beziehung fehlt – oder dauerhaft nicht gut ist, ist das ein häufiger Auslöser für eine Trennung?
Ja, definitiv. Sex und Geld gehören zu den Haupt-Gründen, warum Paare sich trennen. Der Sex-Frust entwickelt sich schleichend. Am Anfang ist meistens alles toll, zwei Menschen sind verliebt und können nicht genug voneinander bekommen. Doch wenn der Alltag eintritt, kommen sehr oft gravierende Unterschiede in den Bedürfnissen zutage, beispielsweise was die Häufigkeit von Sex betrifft. Wenn ein Paar sich nicht bewusst damit auseinandersetzt und praktikable Lösungen findet, sind Konflikte vorprogrammiert.
Was können Paare tun, wenn im Bett gar nichts mehr läuft und beide schon insgeheim mit dem Gedanken der Trennung spielen?
Darüber sprechen. Ehrlich die eigenen Bedürfnisse ansprechen. Und: Sex haben. Wenn man Sex hat und hinterher denkt: „Hey, das könnten wir wieder öfter machen“ kann ein Paar die Kurve noch kriegen. Sex verbindet. Wenn aber einer von beiden den Sex komplett boykottiert, wird es schwierig.
In deinem neuen Buch „Gesundgevögelt 3.0 – Die Sexgeheimnisse glücklicher Paare“ schreibst du dass die Bilder, die wir über guten Sex haben falsch sind. Warum?
Naja, so wie wir Sex in Hollywood-Filmen oder Pornos sehen, findet er in 99 Prozent der Fälle nicht statt. Ich gehe ja gerne mal in Clubs oder auf spezielle Partys und beobachte Menschen beim Sex. Und das sieht oft anders aus, als man es sich vorstellt.
Wie denn?
Nicht wie im Porno. Es gibt kein „richtig“. Sexualität ist etwas zutiefst Individuelles zwischen zwei Menschen. Das stellt man fest, wenn man Sex mit einem neuen Partner hat. Andere Bewegungen, schneller, langsamer, eine andere Stellung oder andere Variante. Ich behaupte, die meisten Menschen kennen weniger als 10% ihres möglichen Repertoires.
Was machen sexuell erfüllte Paare denn anders?
Sie entwickeln sich sexuell weiter, haben oft bereits Krisen durchgestanden und folgen konsequent ihrer Neugier, ohne ewige Diskussionen. Meistens ist in Beziehungen ein Partner die treibende Kraft. Das Geheimnis ist, dass der andere mitzieht und ebenfalls neugierig wird, anstatt die Entwicklung zu blockieren. Wenn es Schwierigkeiten im Bett gibt, suchen diese Paare gemeinsam nach Lösungen, anstatt sich gegenseitig Schuld zu geben.
Du behauptest, Sex wird mit der Dauer der Beziehung eher besser als schlechter. Das scheint vielem zu widersprechen, was man allgemein über Sex in Langfristbeziehungen sagt.
Ich habe einen anderen Blick auf das Thema. Ich beschäftige mich nicht mit sexuellen Problemen, sondern mit Menschen, die Lösungen gefunden haben. Paare mit erfülltem Sexleben haben beispielsweise ein ähnlich starkes Lustempfinden, das heißt, sie haben in etwa gleich oft Lust auf Sex. Diejenigen, die auch bei ungleichem Lustempfinden sexuell happy sind, haben gelernt, mit der Differenz konstruktiv umzugehen. Wenn beide Partner auf die Wünsche des jeweils anderen eingehen können, sind Unterschiede im Verlangen kein Problem. Der Sex wird mit der Dauer der Beziehung dann tatsächlich besser, weil man sich besser kennt und beide Partner wissen, wie sie sich gegenseitig glücklich machen können. Aber eben nur, wenn sie sich nicht mit Machtspielen und Kontrollverhalten dominieren. Singles sollten eine neue Beziehung gleich auf dieser Basis beginnen.
Du rätst Paaren eher davon ab, sich lang und breit über Gefühle auszutauschen. Warum?
Weil sich Gefühle sowieso ständig ändern. Sie können sich sogar von einem auf den anderen Moment ändern. Gefühle sind nur in unserem Kopf, sie haben oft gar nichts mit der Realität zu tun. Dazu kommt, es kann den Partner sehr verletzen, wenn man alles ausspricht, was man gerade so fühlt und denkt. Es ist nicht schlau, sein Liebesleben von Befindlichkeiten steuern zu lassen. Denn dann hat man unter Umständen schnell kein Liebesleben mehr.
Dein Tipp für Paare, die das Gefühl haben, in ihrem Sexleben könnte einiges besser laufen?
Ehrlich über Wünsche und Fantasien sprechen und mutig genug sein, diese tatsächlich auszuprobieren. Jeder muss neugierig auf den anderen werden und nachgeben können, guter Sex ist kein Egotrip. Ganz wichtig: Humor. Lacht miteinander, auch im Bett. Und: lest meine Bücher!
Susannes aktuelles Buch "Gesundgevögelt 3.0 - Die Sex-Geheimnisse glücklicher Paare" ist unter anderem hier und in jedem Buchladen erhältlich.
Mehr über die Autorin und Sexual-Wissenschaftlerin (M.A.) findest du hier: www.susannewendel.de
Am 27.3.2023 spreche ich im Interview mit Susanne noch einmal detailliert darüber, was glückliche Paare im Bett richtig und unglückliche Paare falsch machen. Das Interview könnt ihr in meiner Facebook-Gruppe sowie auf Instagram anschauen. Hier geht's zur Gruppe: www.facebook.com/groups/trennungalschance
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