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Scheidung vor dem Standesamt: Günstiger, einfacher und schneller?

Scheidung vor dem Standesamt: Günstiger, einfacher und schneller?

13.11.2020. 15:40
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Warum sind Scheidungen in Deutschland eigentlich so teuer und kompliziert - und in anderen Ländern nicht?

Und warum können Ehen bei uns nicht am Standesamt aufgelöst werden - wenn sie da schließlich auch geschlossen wurden?

Spannende Fragen, über die sich Christian Kieppe Gedanken gemacht hat. Der Anwalt für Familienrecht erklärt in seinem Gastbeitrag für getrenntmitkind.de, ob eine Scheidung vor dem Standesamt Sinn macht und in Zukunft tatsächlich realistisch ist. 

Vor dem Standesamt lassen sich die Menschen trauen. Warum sollten sie sich nicht auch hier scheiden lassen?

Anwalt Christian Kieppe schreibt:

Statistisch gesehen betrug das Risiko, sich bei einer Hochzeit im Jahre 2018 später von seinem Ehegatten zu scheiden, ungefähr 33 Prozent. Wenn von 450.000 allein im Jahre 2018 neu geschlossenen Ehen jede dritte scheitert, lassen sich im weiteren Lebensverlauf 149.000 Ehepaare scheiden. Was eine deutsche Scheidung im Durchschnitt kostet, steht in diesem Text.

Nimmt man für jede Scheidung durchschnittliche Kosten in Höhe von 2.500 EUR an, zahlen nur aus diesem Jahrgang die sich scheidende Ehegatten 371Millionen Euro an Scheidungskosten. Dies ist ein beachtliches Marktvolumen, an dem Anwälte und Gerichte teilhaben. Wieso sollte die Scheidung nicht einfacher, schneller und vor allem günstiger vor dem Standesamt ablaufen können?

Wieso der Gesetzgeber bei Scheidungen auf Richter und Anwalt besteht

Auch wenn es seltsam klingt, zwingende Voraussetzung für eine Scheidung ist zunächst, dass eine Ehe zwischen zwei Ehegatten überhaupt besteht. Dazu heißt es seit Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe in § 1353 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB):

Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.

Aus dem Gesetz lässt sich ableiten, dass eine Scheidungsmöglichkeit im Grundsatz nicht vorgesehen ist. Schließlich wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen und endet damit erst durch den Tod eines Ehegatten. Fakt ist auch, dass die Eheschließung, zumindest die staatliche, vor dem Standesamt stattfindet.

Das Gesetz schützt die Ehe und damit ihre Auflösung

Die Scheidung jedoch wird nicht vor dem Standesamt vollzogen, sondern durch den Beschluss eines Richters. Zudem muss ein Scheidungsgrund gegeben sein: Das Scheitern der Ehe. Damit ist es nach deutschem Recht weniger aufwendig, eine Ehe zu schließen, als sich anschließend scheiden zu lassen. Eheschließung und Scheidung haben allerdings gemeinsam, dass beide Vorgänge vor einer staatlichen Stelle erfolgen müssen. Privatscheidungen sind demnach unzulässig.

Da die Ehe grundsätzlich auf Lebenszeit geschlossen wird, bedarf es besonderer Umstände, die eine Scheidung möglich machen. Derjenige, der einen Scheidungsantrag bei Gericht einreicht, muss darlegen, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Scheidung in seinem Fall vorliegen. Diesen Ehegatten trifft also die Beweislast. Hinzu kommt, dass die anfallenden Scheidungskosten sowie ein langwieriges und zuweilen kompliziertes Verfahren viele Ehegatten abschrecken und somit die Hemmschwelle für das Beginnen eines Scheidungsverfahrens erhöhen. Dieser Umstand führt sicherlich dazu, dass es sich Ehegatten dreimal überlegen, bevor sie sich scheiden lassen.

Der Auftrag, der Auflösung der Ehe „Steine in den Weg zu legen“, kommt jedoch aus dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Dort heißt es in Artikel 6 Absatz 1:

Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung.

In juristischen Fachkreisen spricht man hier von einer Institutionsgarantie. Dies bedeutet, dass Ehe und Familie als Einrichtungen geschützt werden. Der Staat muss also gewährleisten, dass Ehe und Familie existieren (können). Daneben stellt die Ehe eine Sphäre privater Lebensgestaltung dar und ist als solche vom Staat abgeschirmt.

Um diesen hohen Schutz des privaten Lebensbereichs „Ehe“ nicht zu verletzen, muss der Gesetzgeber strenge Voraussetzungen an eine Scheidung knüpfen. Andernfalls könnte es passieren, dass ein staatliches Gericht Ehegatten voneinander scheidet, nur weil einer der Ehegatten „aus einer Laune heraus“ die Scheidung verlangt hatte. Dies würde dem hohen Schutz der Ehe nicht gerecht.

Der Rechtsanwalt wahrt die Belange der Ehegatten

Zudem fordert das deutsche Scheidungsrecht die Mitwirkung eines Rechtsanwalts. Damit sich ein Richter überhaupt in einem Scheidungsfall prüft, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen, muss vorher ein Antrag gestellt werden. Der Ehegatte, der den Antrag stellt, muss zwingend von einem Rechtsanwalt vertreten werden (Anwaltszwang).

Mit der Regelung des Anwaltszwangs will der Gesetzgeber die ordnungsgemäße Funktion der Rechtspflege und seiner Organe sicherstellen. Ein Organ der Rechtspflege ist die Gerichtsbarkeit. Damit keine völlig unbegründeten Scheidungsanträge bei den Gerichten ankommen, möchte der Gesetzgeber, dass ein Anwalt den Sachverhalt prüft. Der Anwalt, der seinerseits Organ der Rechtspflege ist, kann nämlich beurteilen, ob ein Scheidungsantrag Aussicht auf Erfolg hat. Ehegatten werden zum einen davon abgehalten, in ein aussichtsloses Verfahren zu ziehen und damit einhergehende finanzielle Aufwendungen für Gericht und Anwalt umsonst zu leisten.

Entscheidend ist aber, dass der im Scheidungsverfahren beauftragte Rechtsanwalt weiterhin gewährleistet, dass der Mandant über bestehende Rechte und Pflichten aufgeklärt wird und nicht aus Unkenntnis der Rechtslage auf legitime Ansprüche verzichtet oder bestehende Fristen versäumt. Hierbei handelt es sich beispielsweise um Ansprüche auf Unterhalt, auf einen Vermögensausgleich (Zugewinnausgleich) oder Ansprüche auf einen Rentenausgleich (Versorgungsausgleich).

Kann die Scheidung vorm Standesamt eine Alternative sein?

Die Ehe ist nüchtern betrachtet ein Vertrag zwischen zwei Personen. Verträge, die unbefristet sind, also gelten, bis ein Beendigungsgrund eintritt, können außerordentlich gekündigt werden. Für die Kündigung eines Vertrags ist normalerweise nur eine Erklärung gegenüber dem Vertragspartner nötig. Bei der Ehe sieht es, wie oben geschildert, ganz anders aus.

Scheidungswillige Ehegatten könnten insofern von einer Standesamt-Scheidung profitieren, als sie erheblich schneller zum Ziel der Scheidung gelängen und deutlich weniger Scheidungskosten bezahlen müssten. Gleichzeitig ginge mit der Zuständigkeitsverschiebung vom Gericht zum Standesamt die Entlastung vieler derzeit überlasteter Familiengerichte einher. Wie eingangs erwähnt, kommen auf die Gerichte allein durch im Jahr 2018 geschlossene Ehen statistisch knapp 150.000 Scheidungsfälle zu, die sie alle bearbeiten und entscheiden müssen.

Vorschlag für Gesetzesänderung

Mit einem konkreten Vorschlag für eine Gesetzesänderung hatte der Bund der Deutschen Standesbeamten (BDS) 2019 auf sich aufmerksam gemacht. Allerding gilt auch für den BDS die Einschränkung, dass die standesamtliche Scheidung nur in Fällen von einvernehmlichen Scheidungen ohne Beteiligung minderjähriger Kinder möglich sein soll. Dieser Vorschlag erscheint zunächst sinnvoll, da gerade bei einvernehmlichen Scheidungen ohne Kinder der Regelungsbedarf meist gering ist. Zudem steht hier eindeutig der Wunsch der Ehegatten im Vordergrund, ihre sinnlos gewordene Ehe zu beenden.

Immer mehr digitale Angebote

Für die Vereinfachung des Scheidungsverfahrens spricht auch die fortschreitende weltweite Digitalisierung. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der Verwaltungsapparat des Staates durch mehr digitale Angebote und Dienste dem Bürger das Leben einfacher gestalten könnte. Anwälte und Mandanten kooperieren bereits im Rahmen der Online-Scheidung auf diesem Wege miteinander.

In anderen Ländern sind Scheidungen günstiger

Ebenfalls heranzuziehen ist der Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Jeder Deutsche hat das Recht, die Frage zu stellen, wieso sich beispielsweise Bürger aus Italien und Spanien für unter 100 EUR scheiden lassen können, während sie selbst mindestens 2.000 EUR auf den Tisch legen müssen.

Auf der anderen Seite gibt es gewichtige Argumente, die gegen eine solche „Erleichterung“ des Scheidungsverfahrens sprechen. Aus dem Eheverhältnis kommen Ehegatten stets Rechte zu. Gerade im Fall der Scheidung können sich berechtigte Ansprüche auf Unterhalt, Zugewinn- oder Versorgungsausgleich ergeben. Um diese Ansprüche im komplexen Geflecht des Familienrechts zu erkennen, benötigen Nichtjuristen in aller Regel eine anwaltliche Beratung. An dieser Stelle wäre vor diesem Hintergrund ein Kompromiss denkbar: Ehegatten müssen ihre Unterziehung einer anwaltlichen Beratung nachweisen und können sodann einen Scheidungsantrag beim Standesamt stellen.

Bei hohen Vermögenswerten wird es schwierig

Dies erfordert jedoch nach dem Vorschlag des BDS die Einvernehmlichkeit der Scheidung. Hier wären die Ehegatten gefordert, eigenständig Vereinbarungen zu treffen, mit denen beide leben können. Risiken bei der einvernehmlichen Scheidung sind jedoch nicht vollständig von der Hand zu weisen. Treten zu einem späteren Zeitpunkt im Scheidungsverfahren dann doch Uneinigkeiten auf, kann es doch noch zu Streit kommen. Zumal es nicht selten um hohe Vermögenswerte geht. In einer solchen Situation würden sich die meisten Ehegatten dann wohl doch einen Anwalt an ihrer Seite wünschen.

Gemischtes Fazit: Gute Idee mit Optimierungsbedarf

Das Entschlacken der aktuell vorherrschenden Scheidungsverfahren, im Besonderen mit Blick auf die hohen Scheidungskosten, erscheint richtig und sinnvoll. Jedoch müssen sich Ehegatten auch stets über die potentiellen Risiken bewusst sein. Nicht verkennen sollte man, dass auch schon die jetzige Gesetzeslage Möglichkeiten der Online-Scheidung und der einvernehmlichen Scheidung ermöglicht. Diese Prozesse tragen bereits zur Beschleunigung und zur Kostenreduzierung des Scheidungsverfahrens bei.

Über den Autor

Christian Kieppe (Online Scheidung Deutschland) ist Rechtsanwalt in Münster mit Tätigkeitsschwerpunkt im Scheidungs- und Familienrecht. Er führt seit vielen Jahren bundesweit Online-Scheidungen durch. Dabei stehen einvernehmliche Scheidungen im Vordergrund, da sie bei der aktuellen Rechtslage mit dem wenigsten Zeit -und Kostenaufwand verbunden sind.

 

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von Christina Rinkl (Kommentare: 1)

Über Gastbeiträge von Vätern freue ich mich immer besonders. Da ich ja aus der Mütterperspektive schreibe, klar, geht auch nicht anders. Heute blickt Hans-Joachim für uns zurück auf seine Trennung. Er ist nicht nur dreifacher Vater, sondern inzwischen auch schon Opa. Er schreibt sehr reflektiert über die Zeit alleine mit seinen Kindern. Besonders berührt hat mich sein Satz: "Ich brauchte Zeit, um zu verstehen, dass für die Kinder auch die Kontakte zur Mutter wichtig waren." Lest selbst:

von Christina Rinkl (Kommentare: 1)

Wohin mit dem Ehering nach einer Scheidung? Bei den meisten liegt er wohl in irgendeiner Kiste irgendwo hinten im Schrank. Andere haben ihn vielleicht schon längst von einer Brücke in den Fluss geworfen. Wieder andere wollen das Schmuckstück für ihre Kinder aufbewahren. Wer mit seinem Scheidungsring etwas Sinnvolles tun will, kann ihn einschicken und spenden. Der Erlös kommt Trennungskindern zu Gute. Alle Infos zu dem Projekt "Scheidungsringe für Kinder" findest du hier:

 

von Christina Rinkl (Kommentare: 3)

Sie ist eine, die es wissen muss. Helene Klaar ist knapp 70 und erfolgreiche Anwältin für Familienrecht aus Wien. Im Interview mit dem SZ-Magazin spricht sie darüber, warum Ehen aus ihrer Sicht am häufigsten scheitern. Sie findet: „Man kann nicht 40 Stunden arbeiten und daneben einen Haushalt führen und die Kinder unterhalten.“ Auch ihre Kollegin Ines Daun hat ein Buch mit Beziehungstipps geschrieben. Die Scheidungsanwältin aus Nürnberg ist überzeugt: „Den richtigen Mann kann frau erst finden, wenn sie von sich weiß, was sie wirklich will.“  

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