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"Meine Erfahrung als alleinerziehender Vater"

"Meine Erfahrung als alleinerziehender Vater"

14.01.2020. 13:16
(Kommentare: 1)

Über Gastbeiträge von Vätern freue ich mich immer besonders. Da ich ja aus der Mütterperspektive schreibe, klar, geht auch nicht anders. Heute blickt Hans-Joachim für uns zurück auf seine Trennung. Er ist nicht nur dreifacher Vater, sondern inzwischen auch schon Opa. Er schreibt sehr reflektiert über die Zeit alleine mit seinen Kindern. Besonders berührt hat mich sein Satz: "Ich brauchte Zeit, um zu verstehen, dass für die Kinder auch die Kontakte zur Mutter wichtig waren." Lest selbst:

Viele Jahre alleinerziehender Vater sein – ein Rückblick 

Hans-Joachim schreibt:

„Das geht doch gar nicht: da will ein voll berufstätiger mehrere Kinder alleine erziehen.“ So oder ähnlich klangen die Befunde einiger Expertinnen, einige von ihnen projizierten wohl aggressiv eigene Enttäuschungen ganz allgemein auf die Männer. 

Es ging aber. Angeregt durch eine E-Mail an Christina zu ihrem Interview im Kölner Stadt-Anzeiger, will ich einige Erfahrungen aus meiner damaligen Zeit Revue passieren lassen.

Gleitzeit für Väter? War damals ungewöhnlich 

Ganz wichtig war, Zeit für die Kinder zu haben, sie wissen zu lassen, dass ich hinter ihnen stehe, ihnen neue Lebensfreude zu geben und sie damit zu stabilisieren. Das ging auch nur durch Vorbeischrammen an der Grenze vom Möglichen zum Unmöglichen.

Zum Beispiel drangsalierte mich mein Vorgesetzter, weil ich Gleitzeitregelungen zu meinen Gunsten in Anspruch nahm; erst als ihm klar wurde, dass ich einen Anspruch von 50 Tagen Sonderurlaub im Jahr bei der Erkrankung meiner Kinder hatte, änderte sich seine Meinung. Und das ganze Haus hatte sich recht bald daran gewöhnt.

"Es ist schwer, alles alleine entscheiden und tun zu müssen"

Die meisten Kontakte waren mit der Trennung zusammen gebrochen. Da war es sehr wichtig, mit anderen Alleinerziehenden Kontakte aufzubauen, was gar nicht schwer war. Ich erinnere mich an gegenseitige Hilfe und das Gefühl, nicht alleine zu sein.

Von großer Bedeutung war auch immer wieder mal die Inanspruchnahme professioneller Beratung. Es ist schwer, alles alleine entscheiden und tun zu müssen. Überhaupt war ganz allgemein die Öffnung nach außen notwendig, am Anfang ist mir das nicht leicht gefallen. 

Ich brauchte auch Zeit, um zu verstehen, dass für die Kinder auch die Kontakte zur Mutter wichtig waren, dass sie ihr gegenüber nicht die Achtung verlieren dürfen.

Als Single-Vater erhielt ich viel Mitleid - und neugierige Blicke

Alleinerziehende Mütter und Väter werden mit unterschiedlichem Maß gemessen. Für viele war ich „der Arme“,
Mütter werden da ganz anders bewertet. 

Als alleinerziehender Vater wird man beäugt. Bekannte zum Beispiel wurden von meinen Nachbarn angequatscht. Tragikomisch war, was aus beobachteten angenommenen neuen Partnerschaften gemacht wurde. Komisch mit Nähe zum Witzblatt war, dass Aufwand und Deutung in keinem Verhältnis zur Realität standen. Zum Beispiel wurden vom frühen Morgen bis zum späten Abend Minutenprotokolle über äußerst banale „Beobachtungen“ vor unserem Haus erstellt. Tragisch für die Observanten, die damit eine Armut im eigenen Leben erkennen ließen.

"Heirate doch wieder, dann geht's dir gut!" 

Es gab auch Ratschläge, erneut zu heiraten, um damit sozusagen einer neuen Frau Haushaltsführung und Kindererziehung zu übertragen. Wie praktisch!

Einmal allerdings stand am ferneren Horizont die Gründung einer Patchworkfamilie, und zum Glück scheiterte diese Idee, für die eigenen Kinder wäre dies zur Katastrophe geworden; denn zu den bekannten Patchworkproblemen wie Loyalität zum anderen Elternteil, Beziehung zu den Stiefgeschwistern und zu Stiefmutter/vater wären nicht mehr aufzufangende massive Probleme innerhalb der neuen Teilfamilie hinzu gekommen.

Wichtige Frage: Was war mein Anteil am Scheitern der Beziehung?

Überhaupt wurde mir später klar, dass die eigenen Anteile in der gescheiterten Beziehung gesehen werden müssen, sonst werden sie in eine neue Beziehung mitgeschleppt, was ein erneutes Scheitern wahrscheinlich macht. 

Ebenfalls spannend: In einigen Familien diente ich den Müttern als Vergleichsoperator. Ihren Männern sagten sie: „Nimm dir doch mal ein Beispiel am Hans-Joachim!“ Das machte die Kontakte nicht einfacher. 

Goethe taugt auch als Erziehungsratgeber

Es gab auch schwierige Entwicklungen bei den eigenen Kindern, besonders seit der Pubertät. Hier half mir nach Goethes Faust die Vorstellung: „Ein junger Mensch in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst.“ Den Kindern machte ich ohne Worte deutlich: „Ich möchte, dass ihr euren eigenen Weg geht. Damit geht es euch gut, und damit geht es mir gut. Und als Vater bin ich für Euch da.“

Extreme Belastungen - und gleichzeitig ein großer Gewinn

Jemand sagte mir einmal: „Diese Zeit geht vorüber.“ Das fand ich hilfreich. Trotzdem war die langanhaltende Phase extremer Belastungen auch ein persönlicher Gewinn. Viele Energien wurden freigesetzt, weil die eigenen Kinder gerettet und ihnen Wege zu einem selbstbestimmten erfüllten Leben geebnet werden mussten.

Heute sind meine Enkel mein Jungbrunnen 

Heute stehen die eigenen Kinder fest im Leben, sind auch recht gut situiert, und haben vor allem eigene Familien. Der einigermaßen intensive Kontakt zu den Enkeln ist zwar anstrengend, aber er ist eine große Bereicherung und wirkt wie ein Jungbrunnen.

Allerdings: Großeltern brauchen sich nicht zu den Angestellten ihrer Kinder machen zu lassen, viel besser ist es für alle Beteiligten, wenn sie auch ihr eigenes Leben haben und weiter entwickeln. Übrigens ist mir auch ein freundschaftlicher Umgang mit den Familien der Schwiegerkinder wichtig, Rivalitäten könnten sonst leicht entstehen. Ganz allgemein ist diese Kontaktpflege gut für das System der erweiterten Familien. 

Hans-Joachim

Herzlichen Hans-Joachim (der im wirklichen Leben anders heißt) für diesen offenen und persönlichen Text.

Und welche Erfahrungen hast du als alleinerziehender Vater gemacht? Wie stemmst du deinen Alltag? Hörst du auch immer wieder, du sollst dir möglichst schnell eine Frau suchen? Oder ist das heute alles ganz anders? Schreib es mir gerne hier unten in die Kommentare oder an info@getrenntmitkind.de

Du willst noch mehr gute Texte von Vätern lesen? Hier berichtet einer, wie es sich anfühlt, 700 Kilometer entfernt von seinen Kindern zu leben

Du lebst in einer Patchworkfamilie? Dann schau dir diesen Text darüber an, was für Kinder in dieser Situation wichtig ist

Und das hier ist ein tolles Buch für jede Form von Familie: Ob Vater mit drei Kindern, Wechselmodell oder Regenbogenfamilie.

Herzliche Grüße,

Christina

 

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Kommentar von brian fouldner |

Als alleinerziehender Vater eines inzwischen schon volljährigen Jungen habe ich sehr viele positive Erfahrungen gemacht, auch einige negative - insbesondere als er in die Pubertät kam und mit seinen Marotten tierisch nervte. Kind neben fulltime Job als Selbstständiger ist nicht easy-- aber man muss Prioritäten setzen, bei mir stand der Junge immer an erster Stelle - mein Sohn ist nunmehr auch ein Freund - wenn er Probleme hat bin ich nach wie vor seine erste Anlaufstelle - und er hat viele :-), die große erste Liebe - die erste Trennung und Enttäuschung - gepaart mit Selbstzweifel - naja kommt einem aus dem eigenen Leben ja alles sehr bekannt vor. Ich hatte keinen verständnisvollen Vater und wollte es besser machen - aber ohne aufdringlich zu sein. Eine relativ kurze Zeit hatte ich eine neue Liebe gefunden, wir wurden eine Patchworkfamilie - aber sie hat nie eine Bindung zu meinem Kind aufbauen wollen er war für sie das fünfte Rad am Wagen - also musste ich diese Beziehung beenden, denn sie war geprägt vom Egoismus der Frau..das hatte ich schon mal - brauche ich nun wirklich nicht. Für mich wird der Sohn immer die wichtigste Person im Leben bleiben - egal was da kommt--auch wenn er ein fürchterlicher Chaot ist und durch seine geradezu krankhafte Neigung zum Sport oft völlig verschwitzt ist und die Bude mit seinem -- sagen wir mal männlichem Geruch - verpestet - seine Klamotten versifften überall herumliegen lässt und die vor sich hin müffeln bis der alte Herr sie zusammensammelt und wäscht..dahingehend hat meine Erziehung wohl völlig versagt - er war aber nicht immer so also gibts ja noch einen Funken Hoffnung. Schule und SPort - Beruf und Sport, seine Freunde - die mir auch immer willkommen sind und mit denen er auch mal abhängt - wäre er nciht mehr im Haus - ich würde ihn schnell vermissen...

Antwort von Christina Rinkl

Danke Brian für deinen Erfahrungsbericht. 
Als Mutter von inzwischen zwei Jungs kann ich das gut nachvollziehen und freue mich auf alles was da noch auf mich zukommt :)

Schön, dass dein Sohn und du so ein tolles Verhältnis zueinander habt, das ist sehr sehr wertvoll. Genieß die Zeit mit ihm. 

Alles Gute für dich und herzliche Grüße, 

Christina

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