Was sich Trennungskinder wünschen (Teil 1)
Im Internet gibt es eine Liste, die aus der Perspektive eines Kindes verfasst ist. Sie heißt „20 Bitten an geschiedene Eltern“ und ich bin jedes Mal wieder berührt, wenn ich diese 20 kurzen Texte von Karin Jaeckel lese. Der Text ist so treffend, dass es sich lohnt ihn auszudrucken und an die Kühlschranktür zu hängen.
Gestoßen bin ich auf die Liste durch das Buch „Wenn der Traum von Familie platzt“ von Ramona Jakob. Sie schreibt über die Liste: „Ich lese den Text sehr gern, weil ich darin sehr viel Wahrheit finde.“ Genau so geht es mir auch. Der Text trifft die Befindlichkeit von Trennungskindern wirklich gut. Ich stelle hier die Textpassen in übersichtlichen Siebener-Häppchen vor.
Die komplette Liste findet ihr hier
Meine liebe Mama, mein lieber Papa,
1. Vergesst nie: Ich bin das Kind von euch beiden. Wenn ihr euch trennen wollt, ist das eure Sache. Ich liebe euch beide. Darum will ich mich nicht von euch trennen und keinen von euch verlieren. Bitte sorgt dafür, dass ich immer zu meiner Mutter und zu meinem Vater nach Hause kommen kann.
Ja, das ist essenziell. Das Kind besteht aus Teilen von beiden Eltern und wird auch immer beide lieben. Genau darum ging es auch oft im Trennungs-Seminar „Kinder im Blick“ (Link zum Artikel). Was ich ganz wichtig finde: Das Kind muss (in jedem Zuhause) beide lieben dürfen. Das heißt auch, in jedem Zuhause offen vom anderen Elternteil reden dürfen.
2. Helft mir, zu dem Elternteil, bei dem ich nicht ständig bin, Kontakt zu halten . Vielleicht kann ich abwechselnd bei euch wohnen. Das wäre schön. Wenn das nicht geht, möchte ich wenigstens an den Wochenenden und in den Ferien mit jedem von euch zusammen sein. Wählt für mich die Telefonnummer, wenn ich anrufen möchte oder schreibt die Adresse auf einen Briefumschlag, wenn ich ein Bild für meinen anderen Elternteil gemalt habe. Helft mir, zu Weihnachten oder zum Geburtstag ein schönes Geschenk für meinen anderen Elternteil zu basteln oder zu kaufen. Macht von den neuen Fotos von mir immer einen Abzug für meinen anderen Elternteil mit.
Das mit dem Geburtstagsgeschenk für den anderen Elternteil ist eine gute Idee. So habe ich es mit meinem Sohn auch letztes Jahr gemacht, wir haben gemeinsam ein Geschenk für den Papa besorgt und er hat ihm noch etwas gebastelt und ein Bild gemalt. Ich finde, diese Geste zeigt, dass man den anderen Elternteil immer noch wertschätzt. Und das zu spüren, tut vor allem dem Kind gut.
3. Fragt mich nicht, wen von euch beiden ich lieber mag . Ich habe euch beide gleich lieb. Macht den anderen also nicht schlecht vor mir. Denn das tut mir weh.
Yep. Eine Wahrheit, die sich alle getrennten Eltern hinter die Ohren schreiben sollten. Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine (geschiedene) Mutter damals öfter über meinen Vater geredet hat. „Dein Vater hat dies …“ und „Dein Vater macht das …“ Ihr Tonfall und ihre Mimik allein sprachen dabei schon Bände. Ich finde: Eltern sollten ihre eigenen Trennungsverletzungen so gut sie nur können vor den Kindern fern halten. Auch wenn das manchmal nicht leicht ist und man sich hin und wieder mal auf die Zunge beißen muss. Dann macht man das eben. Für das Kind. Schlecht vor dem Kind über den anderen Elternteil zu reden, geht gar nicht.
4. Redet miteinander wie erwachsene Menschen. Ihr seid schließlich meine Vorbilder. Und benutzt mich nicht als Boten zwischen euch - besonders nicht für Botschaften, die meinen anderen Elternteil traurig oder wütend machen.
Oh ja. Auch ich vor früher ein Bote und musste öfter mal Briefe überbringen, die meine Mutter meinem Vater geschrieben hatte. E-Mails gab es damals in den 80ern schließlich noch nicht. Diese Briefe waren natürlich in der Regel alles andere als freundlich und enthielten keine guten Nachrichten. „Papa, da ist noch ein Brief für dich in meiner Tasche…“. Schon vom Aussprechen dieses Satzes bekam ich damals Magengrummeln. Weil ich wusste, dass mein Vater nun wahrscheinlich erstmal wieder ziemlich traurig oder wütend sein würde. Oder beides. Kinder sollten niemals Boten für die schlechten Nachrichten ihrer Eltern untereinander sein. Auch wenn es für diese in dem Moment vielleicht praktisch sein mag. Für Kinder ist das einfach nur Mist.
5. Verplant nie die Zeit, die mir mit meinem anderen Elternteil gehört. Ein Teil meiner Zeit gehört meiner Mutter und mir, ein Teil meinem Vater und mir. Haltet euch daran.
Das ist doch eigentlich selbstverständlich. Und wenn zum Beispiel ein Familienfest von der einen Seite der Familie ansteht, wenn das Kind gerade beim anderen ist, müssten im Idealfall beide so vernünftig sein, das im Sinne des Kindes zu klären. So dass es teilnehmen kann an dem Fest.
6. Seid nicht traurig, wenn ich euch verlasse und zu meinem anderen Elternteil gehe. Der, von dem ich weggehe, soll auch nicht denken, dass ich es in den nächsten Tagen schlecht hätte. Am liebsten würde ich ja immer bei euch beiden sein. Aber ich kann mich nicht in zwei Stücke reißen - nur weil ihr unsere Familie auseinandergerissen habt.
Das ist schwerer Stoff. Natürlich sind wir Eltern manchmal traurig, wenn das Kind zum anderen Elternteil geht. Auch, wenn wir versuchen uns das nicht anmerken zu lassen. Ich gebe mir immer Mühe, diese „Übergabe-Situationen“ möglichst positiv für meinen Sohn zu gestalten. Es ist ja die einzige kurze Zeit, in der das Kind mal beide Elternteile zusammen hat.
7. Seid nicht enttäuscht oder böse, wenn ich bei meinem anderen Elternteil bin. Ich vergesse keinen von euch, auch wenn ich mich dann nicht melde. Ich habe jetzt zwei Zuhause. Die muss ich gut auseinander halten - sonst kenne ich mich in meinem Leben überhaupt nicht mehr aus.
Diese vier letzten Sätze finde ich absolut stimmig. Das Kind muss seine beiden Zuhause gut auseinander halten, zu seinem eigenen Schutz – und um sich selbst das Leben zu erleichtern.
Wir Eltern müssten uns viel öfter bewusst machen, was für eine große Anpassungsleistung unsere Kinder da stemmen. Auch wenn das Hin und Her irgendwann Alltag für sie sein mag, eine Herausforderung wird es trotzdem immer bleiben.
Fotohinweis: Johnny B/pixelio.de
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